„Noch einmal!“ ruft Samira nachdem sie die letzte Flamme mit dem glockenförmigen Hütchen des silberfarbenen Kerzenlöschers erstickt hat. Die Begeisterung ist groß, so eindrucksvoll seine eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren. Denn während auch nur ein einziges kleines Flämmchen Licht in die Stube bringt, kann diese mit nur einer Handbewegung völlig verdunkelt werden. Die Momente, während Schritt für Schritt die Finsternis wächst, fühlen sich magisch an, denn mit jeder abgelöschten Kerze verändert sich auch jeweils das Spiel von Licht und Schatten im Raum, bis dieser plötzlich in totale Dunkelheit gehüllt ist. Sicher und geborgen auf Papas Schoß wird dieser atemberaubende Moment genussvoll ausgekostet.
Als Samira mehrmals die Kerzen des Adventskranzes, kaum dass sie angezündet wurden, wieder ausblasen will, erinnert sich ihr Vater an das Kerzenspiel, das ihm und seinen Schwestern viele Dezembermonate
faszinierendes Experimentieren mit Flamme und Kerze beschieden hatte. „Ich möchte nicht, dass du mit dem Adventskranz spielst. Wir zünden diese Kerzen hier an, damit wir es schön haben. Aber ich werde dir ein Kerzenspiel herrichten. Da darfst du dann die Lichter immer wieder auslöschen“, erklärt Samiras Vater.
Schnell sind die nötigen Utensilien zusammengesucht: Kerzenständer und Windlichter in unterschiedlicher Höhe und ebenso unterschiedlich dicke und lange Kerzen in verschiedenen Farben. Bienenwachs wird bevorzugt. Sogar das alte Kupfertablett ist noch da, auf dem Samiras Vater einst selbst mit dem Kerzenspiel laboriert hatte. Eine kleine Schüssel mit Wasser ist rasch zur Seite gestellt.
Die Kerzen werden vom Vater entzündet. Dafür ist Samira mit ihren 2,5 Jahren noch zu klein. Dabei beginnt er wie damals mit der höchsten Kerze, damit er nicht über eine brennende Flamme greifen muss, denn so lautet eine Regel des Kerzenspiels. Neigt sich das Zündholz dem Ende, wird es nicht ausgeblasen, sondern im Wasser abgelöscht. Dadurch wird garantiert, dass lediglich die Flamme des Streichholzes und nicht eine bereits angezündete Kerze wieder verlischt. Nun darf Samira mit dem Kerzenlöscher die Flammen ersticken - eine nach der anderen beginnend bei derjenigen, die ihr am nächsten ist. Auch diese Regel sorgt dafür, dass nicht über eine heiße Flamme gegriffen wird.
Sobald eine Kerze bzw. spätestens dann, wenn alle Kerzen auf dem Tablett angezündet worden sind, wird das elektrische Licht ausgemacht. Das erhöht den Reiz des Spieles und beschert nach dem Auslöschen der letzten Flamme den faszinierenden Moment der völligen Dunkelheit.
Das Kerzenspiel kann Montessoris "Übungen des täglichen Lebens" zugeordnet werden. Es ist für Kinder ab ca. 2,5 Jahre bis ins Grundschulalter geeignet und wird in Begleitung eines Erwachsenen gehandhabt.
Je nach Alter des Kindes wird es dabei die Kerzen selbst nur auslöschen oder auch entzünden.
Materialien für das Kerzenspiel:
· ein Tablett aus Metall
· verschiedene Kerzenhalter
· unterschiedlich lange und dicke Kerzen
· lange Zündhölzer
· ein Kerzenlöscher
· eine kleine Schüssel mit Wasser
Buchtipp: Das Kerzenspiel ist im Buch „Sinnvolles Spielzeug“ auf Seite 153 beschrieben.
Das Kerzenspiel erlaubt Experimentieren mit Streichholz und Flamme in einem klar abgesteckten Rahmen. Es fasziniert kleine und größere Kinder durch magisches Lichtspiel und Erfahrung von Selbstwirksamkeit.
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